Freitag, 25. Oktober 2013

Auf in die Heimat | Vietnam Part II

Route: Hà Nội -- Hà Nam -- Nha Trang -- Đà Lạt -- Sài Gòn

Part 2: Hà Nam

Leute, das wird jetzt lang. Für diesen Post habe ich mir folgenden Soundtrack rausgesucht: eine in Belgien lebende Vietnamesin, die über ihre Wurzeln und ihr Heimatland singt:)


Back to the roots! Wir hatten inzwischen Ende Juni. Für Hanh und mich ging es nach ein paar Tagen Hanoi in die Heimat. Heimat...was ist Heimat für mich? Natürlich sehe ich Berlin als meine Heimat, ich bin hier geboren und aufgewachsen, habe meine ganze Familie hier, meine tausend Onkel, Tanten, Cousins mütterlicherseits miteingeschlossen. Mein Zuhause, mein tägliches Umfeld. Ich beherrsche die deutsche Sprache auch viel besser als die vietnamesische, traurig oder? Ich denke auf deutsch! In Singapur habe ich auch immer mit Germany geantwortet, wenn ich gefragt wurde, woher ich denn komme (Häääh, bist du Halbdeutsche? :P)

Vietnam ist eine andere Art von Heimat für mich. Eine Heimat, die mir allerdings überhaupt nicht so vertraut ist. Im schönen Vietnam schlagen die Wurzeln meiner Eltern, Großeltern und Vorfahren. Während wir die letzten Male immer die Familie meines Vaters im Süden besucht haben, hat uns der Norden nie interessiert. Die ganze Familie von meiner in Deutschland lebenden Oma (mütterlicherseits) lebt in einem kleinen Dörfchen namens Hà Nam in der Nähe von Hanoi und noch nie hat es jemand geschafft sie zu besuchen. Nicht mal meine Mutti, obwohl das ist ihr Geburtsort ist! Also kannte ich die Menschen, die dort lebten, erst recht nicht. Noch nie gesehen, noch nie gehört.

Aber als Ommi, lange bevor mein Auslandssemester angefangen hat, erfahren hat, dass ich nach Singapur für einen Monat nach Vietnam will, hat se gleich gesagt „Dann musst du aber auch meine Geschwister in Hà Nam besuchen“. Sobald ich in Hanoi gelandet bin, solle ich einen Onkel anrufen, ebenfalls noch nie gesehen und gehört, der dafür sorgen soll, dass ich nach Hà Nam komme. Daran hat Ommi mich auch jedes Mal beim Skypen erinnert :) Natürlich wollte ich ihr den Gefallen tun, weil ich wusste, wie wichtig ihr das war. Bammel hatte ich aber trotzdem: Keine Ahnung, wie die aussehen, wie viele es sind, wie alt die sind, wie die drauf sind, worüber ich mich mit denen unterhalten soll. Und. So. Weiter.

Jedenfalls habe ich also diesen Onkel angerufen. Der hat sich dann mit mir in der Stadt verabredet. Gesagt getan, ich geh also hin und hab keine Ahnung, welchen Typen ich denn nun ansprechen soll, der hat mich doch auch noch nie gesehen! Hab ein paar fremde Herren länger angestarrt in der Hoffnung, dass die mich ansprechen HAHA peinlich. Aber kurz darauf habe ich dann einen Herren mitte 40 gesehen, der genauuu so aussieht, wie ein Onkel von mir aus Deutschland und zack, der war's :D Ein herzlicher Mann, wir konnten uns gut unterhalten. Uni, Familie, dies das.

So, nachdem ich zwei Tage mit Hanh in ihrem Dorf verbracht habe, machte ich mich alleine auf dem Weg in mein Dorf. Von Dorf zu Dorf, mit dem Taxi. Der Onkel hat mit den Weg mit dem Kulli auf ein Stück Papier skizziert. Die Leute da haben sich ja immer soooo viel Sorgen gemacht, ob das auch gut geht, ich alleine mit dem Taxi. So nach dem Motto, ein Mädel ausm Ausland alleine unterwegs, dat geht nicht jut. Hab ich gar nicht verstanden :P Heutzutage ist es gar nicht mehr so schwer von A nach B zu kommen, es gibt Taxis (Taxen?) und Handys! Und ich behaupte mal, dass ich jetzt schon ein kleines bisschen reiseerfahren bin, weshalb es mir einfach mal absolut nix ausmachte alleine loszuziehen. Naja. 

Jedenfalls war ich dafür total aufgeregt! Konnte üüüberhaupt nicht einschätzen, was mich erwarten wird. Als ich schließlich angekommen bin, erwartete mich ein toooootal herzlicher Empfang, oh mein Gott, diese Menschen waren so süß. Alle freuten sich, „das Kind aus Deutschland ist da“, nahmen mir die Taschen aus der Hand und forderten mich auf ins Haus zu gehen. Da muss ich doch glatt lächeln, wenn ich daran denke :) Dann kam auch schon die Omma aus dem Garten angelaufen, die war einfach der Knaller. Kam um die Ecke, klatschte in die Hände und drückte mich dann so dolle, als ob wir dicke Freunde wären. 


Sie und der Bruder meiner Oma (ein ebenfalls lustiges Kerlchen) lebten in einem kleinen bunten Häuschen mit Garten und Teich (der ganze Stolz der Omma), für vietnamesische Verhältnisse recht wohlhabend. In Vietnam kommt man von der Haustür immer direkt ins Wohnzimmer rein, wo übrigens keine kuscheligen Sofas rumstehen, sondern richtig kuschelige Holzbänke^^ Schlafen tun die meisten Vietnamesen übrigens auch auf Holzbetten. Man gewöhnt sich dran. Es ist auch üblich, dass die Haustür den ganzen Tag lang offen steht, weil den ganzen Tag über Bekannte aus der Nachbarschaft rein- und rausspazieren. 

Die Einfahrt zum Haus


"Da, fotografier den Fisch!"

Ansonsten ist in dem Dorf so gut wie gar nichts los :D Es gibt nicht mal ne richtig gebaute Straße. Hier und da ein paar kleine Geschäfte, eine Dorfkirche und drum herum Reisfelderlandschaften. Selbstverständlich kennt jeder jeden. Ich habe zwar besucht mich unauffällig anzuziehen, aber natürlich wurde ich von den Leuten da angestarrt :P Kurze Hose und Top, trägt da nun mal niemand. Aber in lange Klamotten konnte ich mich nicht zwängen, um Himmels Willen, viel zu heiß! 


Reislagergeschäft der Schwester meiner Oma

Tja was habe ich die Tage gemacht, wenn nix los war? Vorab: Ich muss gestehen, hier hatte ich ein paar der schönsten Tage in Vietnam erlebt. Die familiäre Atmosphäre hat mir gut getan finde ich. Dass Hanh nicht dabei war vielleicht auch, denn ich war gezwungen den ganzen Tag vietnamesisch zu reden :P Obwohl ich bisher keinen Schimmer hatte, dass diese Menschen überhaupt existierten, wussten diese aber viel über mich und meine Familie. Abends kamen immer alle zum Kochen und zum Essen zusammen, die Kinder von der Oma und dem Opa und deren Kinder, Urenkel haben die übrigens auch schon, und erzählten mir Geschichten von früher und fragten mich aus, wie es allen in Deutschland so gehe und was die so machen. Tagsüber hat mich die Omma mit zu ihren Freunden genommen und mich ihnen stolz vorgestellt („Das Kind aus Deutschland. Die ist ganz alleine hergekommen“). 




Morgens steht man übrigens um 5 auf. Ich war immer gegen 8 wach, was die alle als spät empfanden haha. Nach dem Mittagessen gehen alle schlafen, wirklich alle, das ist üblich! Von Jung bis alt, alle gehen sie mittagschlafen. Abends saß ich manchmal mit der Omma vorm Fernsehr und wir haben Süßigkeiten genascht, die ich mitgebracht hatte. Von den Haribos („Hallibo“ HAHA) war sie ganz entzückt. Übrigens war sie auch von meinem Handy ganz entzückt („Mit dem Ding kann man telefonieren?“ HAHA).

Die Menschen, die ich dort getroffen habe waren einfach alle so lieb und herzlich. Die meisten Kinder ziehen nach der Schule in die Stadt, um zu studieren, aber freuen sich jedes Mal, wenn sie wieder nach Hause kommen. Mein Cousin meinte es sei friedlicher zu Hause. Hier könne man entspannen und den Kopf von all den stressigen Dingen freikriegen. Das konnte ich nachvollziehen. Natürlich könnte ich mir nicht vorstellen in solchen Verhältnissen aufzuwachsen und zu leben, ich bin einfach an einen anderen Lebensstandard gewöhnt. Die meisten Vietnamesen leben mit mehreren Generationen in einem Haus, das weniger eine schöne sondern eher eine zusammengewürfelte Einrichtung hatte. Sie stehen morgens um 5 auf, um auf den Markt zu gehen und Waren zu verkaufen ohne viel zu verdienen, gönnen sich von daher kaum Materielles. Trotzdem haben sie einen zufriedenen Eindruck auf mich gemacht. Ich bewundere diese Menschen dafür, dass sie mit den wenigen Dingen, die sie haben, glücklich und zufrieden sind. 


Hà Nam war eine wertvolle Erfahrung für mich. Der Abschied viel mir schon schwer, da man nicht wusste, wann man sich wieder sieht. Ich wäre gerne ein paar Tage länger geblieben, war ja nur vier Tage da. Die Schwester von meiner Oma hatte sogar feuchte Augen, die süße. Natürlich will ich eines Tages wieder dahin, meine Eltern und Geschwister im Schlepptau. Da die in Vietnam nicht über das nötige Geld verfügen, um nach Deutschland zu kommen, müssen wir halt hin! 


BFF forever!

Der Opa war zu der Zeit dabei, Papiere für seine aller erste Auslandsreise zu erledigen. Das liegt alles schon ziemlich weit zurück, Anfang August war er nämlich mit der Omma zwei Monate hier in Deutschland und hat seine Schwester (meine Oma) besucht :) War sehr schön!

Freitag, 11. Oktober 2013

Good Morning Vietnam! | Vietnam Part I

Route: Hà Nội -- Hà Nam -- Nha Trang -- Đà Lạt -- Sài Gòn

Part 1: Hà Nội

In meinem ganzen Leben war ich erst zwei Mal in Vietnam: mit 5 und mit 18, beide Male mit meinen Eltern natürlich. Man sollte meinen, ich müsse in Vietnam ganz gut zurecht kommen, da ich die Sprache beherrsche und ja bereits dort gewesen war.

Ganz im Gegenteil: Für mich war es sehr aufregend, da ich das erste Mal eigenständig nach Vietnam geflogen bin. Es hat sich auch irgendwie angefühlt wie das erste Mal überhaupt, da ich meine Reiserouten, meine Unterkunften, mein Budget, einfach alles selber organisieren musste und nicht wie damals meine Eltern planen gelassen habe. Vietnam war dieses Mal wie Neuland für mich.

Changi Airport - Bye bye Singapore!

Von Singapur aus flogen Hanh und ich also zunächst in den Norden nach Hà Nội, der offiziellen Haupstadt des Landes. Ich war die letzten beiden Male nur im Süden, da dort die Familie von meinem Vater lebt.

Meine Stationen

Vietnam wird nämlich in drei Teile unterteilt: Norden (bac) - Mitte (hue) - Süden (nam). In allen drei Teilen spricht man verschiedene Dialekte, ich als Vietnamesin höre die sehr schnell raus. Ich selber spreche so ein Mischmasch aus bac und nam, weil meine meine Vorfahren mütterlicherseits aus dem Norden sind und von meinem Vater aus dem Süden. Gut, ne? Außerdem hat jeder Teil irgendwo seine eigene Kultur. Klar, im Großen und Ganzen ist's die vietnamesische Kultur, aber was kleine Sitten und Bräuche angeht, ist jeder Teil schon ganz eigen. Kann man mit Bayern, Ostfriesland usw. vergleichen. Schrippen und Brötchen, Frikadelle und Bulette, sowas gibts's auch im Vietnamesischen.




Alle drei Kulturen haben auch verschiedene traditionelle Kleidung und Gewänder, das find ich immer ganz schön anzusehen. Ich trag am liebsten (aber viel zu selten) das Áo Dài, das bekannteste und wahrscheinlich älteste vietnamesische Gewand, welches man zu jedem Anlass tragen kann: Hochzeit, sonntags in der Kirche, zur Arbeit, früher trugen es sogar die Schulmädchen als Schuluniform. Kann man sich in jedem Schneidergeschäft innerhalb von 2-3 Tagen schneidern lassen. Hier ein Bild von mir und meiner Schwester aus alten Zeiten :) 

Zurück zum Thema: In Hanoi angekommen haben uns Bekannte von Hanhs Eltern abgeholt. Mein erster Eindruck von Hanoi war weder positiv noch negativ, es war einfach eine typisch vietnamesische Stadt fand ich. Während Saigon mega touristisch ist, ist Hanoi irgendwie heimischer, wisst ihr was ich meine? Volle Straßen, laut, stickige staubige Luft, einfache Geschäfte ohne viel Schnick Schnack, Straßenverkäufer überall. Den ganzen Tag über ist Rush Hour. Touristen hat man zwar schon gesehen, aber noch lange nicht so viele wie in Saigon.


Am nächsten Tag führte uns die Tochter der Familie den ganzen Tag durch die Stadt. Ach ja, und mit Hoang haben wir uns getroffen, der auch gerade bei seiner Familie in Hanoi war. Erste Station: den Onkel besuchen gehen. Sagt man wirklich so. Was damit gemeint ist? Den verstorbenen ehemaligen Präsidenten Ho Chi Minh im Mausoleum einen Besuch abstatten. Der Norden im Gegensatz zum antikommunistischen Süden (meine Familie eingeschlossen) sehr kommunistisch geprägt. Die Einwohner verehren Ho Chi Minh für die Befreiung Vietnams von kolonialer Herrschaft und die Übernahme des Südens, sehen ihn als ihren Onkel. Jeder hat Bilder von ihm in seinen Häusern zu hängen und Besuche im Mausoleum sind eben manchmal auch drin.


Das fand ich jetzt nicht so besonders, muss ich sagen. Man muss sich erstmal passend einkleiden (auch hier gilt keine Shorts und keine ärmellosen Tops), man steht lange an und das in einer unerträglichen Hitze, und sehen tut man Mr. HCM vielleicht mal 30 Sekunden. Der liegt da halt auf so ner Art Podest und wird vom Militär strengenst überwacht. Nicht stehen bleiben, keine Fotos - eine Runde gedreht und schon war man wieder draußen. Es wird ja gemunkelt, obs überhaupt der echte Körper ist. Der sah ja schon ziemlich künstlich aus, wie die Wachsfiguren aus Madame Taussaud's.  Danach sind wir dann noch durch HCMs Wohnanlage und unzählige Kriegsmuseen gelaufen. War zwar alles ganz interessant, aber der Vietnamkrieg ist ein unfassbar umfangreiches Thema, ist mir zu viel an dem Tag gewesen.

Am späten Nachmittag schlenderten wir dann noch durch Hanois historische Altstadt: the Ancient City oder auch phố cổ. Hier gibts unzählige Geschäfte, eins neben dem anderen. Taschen, Schuhe, Klamotten, Kuscheltiere, alles was das Herz begehrt, von Nütz bis Unnütz. Zwischendurch findet man historische/antike Häuser aus alten Zeiten, wo kleine Kunstwerke, Holzgeschnitze und andere Handarbeiten verkauft werden, war ganz schön anzusehen.



Im großen und ganzen hat mir Hanoi ganz gut gefallen. Es war halt anders, als das was ich bisher von Vietnam gesehen habe. Gechillter. Ruhiger. Weniger Hektik Mektik. Ich hab ja alles immer mit Saigon verglichen. Dafür war abends meistens nicht mehr viel los, die Geschäfte hatten früh geschlossen. Und in Hanoi gibt es das bessere Phở, das typischste vietnamesische und mein Lieblings-Nudelsuppengericht. Schmeckt intensiver, ohne viel Zusatzgewürze usw. Aber ich muss auch zugeben, wir haben zu wenig Zeit in Hanoi verbracht, hatten ja einen straffen Zeitplan. Nach drei Tagen ging es nämlich auch schon weiter...